Manche Leute machen sprachlos. Sie sind unhöflich, verbreiten schlechte Laune oder treiben fiese Machtspielchen. Verhalten sich Kollegen beleidigend, macht es uns sprachlos, wütend oder Angst. Die meisten nehmen so ein Verhalten persönlich. Warum aber agieren wir bei respektlosem Verhalten – egal ob von Kollegen, Vorgesetzten oder Untergebenen häufig hilflos? Unangemessenes Verhalten ist perfide. Es erfordert einen kühlen Kopf und entschlossenes Vorgehen.

«Es reicht!»

Kürzlich erzählte mir eine Klientin von einem sehr unhöflichen Kollegen. Er fragt nicht, er verlangt. Er bedankt sich nicht, er erwartet. Er gibt niemals Feedback, er beschwert sich – gerne hinter dem Rücken der Betroffenen. Jeder weiss darum, niemand unterbindet, auch nicht die Vorgesetzte.

Die wenigsten Menschen mögen Unstimmigkeiten. Fast jeder meidet Konflikte aus Angst vor unangenehmen Reaktionen. Besonders Kritik verunsichert, weshalb sich viele reflexartig wegducken und unverschämtes Verhalten ignorieren oder tolerieren. In Arbeitssituationen spielt auch das Machtgefüge eine entscheidende Rolle. Es ist hochgradig frustrierend – auch für Zuhörer, wenn hierarchisch höher gestellte Kollegen Grenzen, durch ungerechtes Verhalten oder beleidigende Äußerungen überschreiten. Aber auch Mitarbeiter lehnen sich Vorgesetzten gegenüber aus dem Fenster. Aufbegehren macht Angst vor negativen Konsequenzen. Aus Furcht vor beruflichen Nachteilen machen viele lieber die Faust in der Tasche, selbst in untragbaren Situationen. Jeder, der arbeitet, kann davon berichten. Neben inakzeptablem Verhalten werden auch gerne ‚Unterlassungen‘ eingesetzt, die einen ähnlichen Effekt haben. Das bewusste Übergehen in Gesprächen oder Meetings, schnippische Bemerkungen oder schlicht ein abfälliger Blick zählen dazu. Ich schreibe hier nicht von kleinen Befindlichkeiten, sondern von taktisch eingesetztem Fehlverhalten, dass die Grenzen des erträglichen überschreitet. Gründe, warum Menschen auf der Arbeit unwürdiges Verhalten ertragen:

  1. Angst: Unangemessenes Verhalten lässt sich häufig nicht greifen und wird gerne abgestritten. Es steht Aussage gegen Aussage. Gerne werden Betroffene dann zu ‚Mimosen‘ erklärt. Das löst bei den Betroffenen Ohnmacht aus und das Gefühl zu übertreiben.
  2. Sozialer Druck: In manchen Arbeitsumgebungen gibt es einen starken sozialen Druck, sich anzupassen und nicht gegen inakzeptables Verhalten vorzugehen. Kollegiale Beziehungen und der Wunsch nach Zugehörigkeit können dazu führen, dass Menschen das Verhalten tolerieren, um nicht aus der Gruppe ausgeschlossen zu werden oder als „schwierig“ oder „empfindlich“ angesehen zu werden.
  3. Selbstzweifel: Manche Menschen ertragen unverschämtes Verhalten am Arbeitsplatz, weil sie an sich selbst zweifeln. Sie denken, dass sie das unangemessene Verhalten verdienen oder dass es ihre eigene Schuld ist. Niedriges Selbstwertgefühl und ein Mangel an Selbstvertrauen führen dazu, dass Menschen mehr hinnehmen als für sie gut ist.
  4. Hoffnung auf Besserung: Einige Menschen hoffen, dass sich das Verhalten mit der Zeit bessern wird. Manchmal hoffen sie auch, dass es nächstes Mal jemand anderen trifft. Sie denken, dass sie Wege finden können, um das Verhalten zu umzugehen, ohne dass es zu weiteren Eskalationen kommt.

Das Hinnehmen von unverschämtem Verhalten am Arbeitsplatz ist falsch und ungesund. Wird zu oft die Faust in der Tasche gemacht, reagiert der Körper auf die Psyche. Es ist ratsam, sich in kritischen Situationen an höhere Instanzen oder relevante Stellen zu wenden, um Unterstützung zu holen und das unangemessene Verhalten anzusprechen. Auch wenn die einzelnen Vorkommnisse banal erscheinen, in der Summe der kleinen, sich wiederholenden Gemeinheiten liegt grosses Frustpotenzial. Es ist nicht einfach ist ‚ungreifbares‘ Verhalten oder Unterlassungen zu benennen, doch Grenzen setzen ist möglich!

Folgendes Vorgehen hat sich bewährt:

Ziel des Gesprächs festlegen:

  • Dein Gegenüber weiss, dass ein gewisses Verhalten für dich nicht untragbar ist. Oft reicht es, Bewusstsein zu schaffen, um Fehlverhalten zu unterbinden.
  • Dein Gegenüber erhält die Chance sich zu entschuldigen und anders zu reagieren.

Sei dir bewusst: Du strebst keinen Kompromiss an, sondern eine Verhaltensänderung deines Gegenübers!

  1. Schritt: Gespräch mit dem Betroffenen führen
  2. 6-Augen Prinzip: Das Gespräch sollte immer in Anwesenheit einer neutralen Person stattfinden, die ausschliesslich als Zuhörer fungiert.
  3. Situation KURZ zusammenfassen und Problem KLAR benennen.
  4. Ich-bezogen argumentieren: Ich merke…, ich habe festgestellt…, ich sehe… Vermeide Verallgemeinerungen!
  5. Nehme dich ernst und halte dem Konflikt stand! Gerne wird eher ‚ungreifbares‘ Verhalten abgestritten oder kleingeredet. Lasse dich nicht aus dem Konzept bringen! Nenne Fakten und fordere dein Gegenüber auf, das Verhalten einzustellen!
  6. Kompromislos kommunizieren Bei Rechtfertigungen und Gegenangriffen: Bleibe in der Sache unbeirrbar!
  7. Eine gute Gesprächsvorbereitung ist unerlässlich und dann heisst es Üben!

Das Gespräch sollte ausschliesslich über Fakten geführt werden (auch ungebührendes Verhalten ist ein Fakt, wenn du es dazu machst). Es darf nicht emotional argumentieren werden. Wer merkt, dass die Emotionen überhand nehmen: Gesprächabbruch! – und Vertagung. Meine Erfahrung zeigt, dass mit einer guten Gesprächsvorbereitung bereits im ersten Gespräch nicht nur die Situation gelöst wird, sondern nachhaltig Respekt ausgelöst wird. Sollte dein Gegenüber völlig uneinsichtig sein, hast du nun alle Argumente in deiner Hand, dass Gespräch an eine übergeordnete Instanz zur Klärung weiterzureichen.

Grenzen setzen kann man lernen!

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