Ich arbeite hin und wieder mit jungen Erwachsenen. Sie haben ihre Ausbildungen abgeschlossen und stehen am Anfang ihres Berufslebens. Sie bringen mehr oder weniger Arbeitserfahrung aus Jobs oder Praktikas mit. Ihre Träume sind gross, die Kluft zwischen Wunsch und Realität macht ihnen Angst. Den eigenen Weg zu finden ist für sehr viele schwerer als gedacht.
Die Kluft zwischen grossen Träumen und der harten Realität
Bis zu diesem Zeitpunkt haben viele Eltern ihr Bestes gegeben. Sie haben ihre Kinder durch die nicht immer einfache Schulzeit begleitet, sie gefördert und an sie geglaubt. Ihr Job ist erledigt.
Für viele junge Erwachsene beginnt jetzt ihre schwierigste Zeit. Der Griff nach ihrem beruflichen Stern ist eine riesige Herausforderung. Ihre Träume sind gross, die Realität ist hart. Sie würden gerne zeigen was sie können und haben das Gefühl gar nichts zu können, Sie haben Angst vor Ablehnung, zu Scheitern und festzustellen, doch nicht so toll zu sein, wie sie gerne wären. Auf der anderen Seite fürchten sie die Endgültigkeit im Job, Langeweile im Hamsterrad und der Verlust ihrer Freiheiten. Was sie vorfinden scheint für sie nicht attraktiv. Ich kann sie gut verstehen. Es gibt Arbeitsumgebungen, die wenig Reiz bieten. Die Vorstellung für den Rest ihres Lebens täglich acht Stunden so malochen zu müssen ist schrecklich. Starten sie darin ins Arbeitsleben, geht ihnen die Motivation schnell verloren.
Aus der Sackgasse in die Motivation
Ich arbeite mit einem jungen Mann. Er ist Anfang 20. Nach seinem Studium ist er über glückliche Umstände in seine erste Festanstellung gerutscht. Das Unternehmen ist gross, sein Chef ist nett, die Kollegen auch, die Kantine ist super. Sein Umfeld gratulierte ihm zu so viel Glück. Er selbst hat schon nach ein paar Wochen das Gefühl in einer Sackgasse gelandet zu sein. Seine Eltern schickten ihn zu mir. Er findet seinen Job öde, er fühlt sich unmotiviert und langweilt sich bei seinen Aufgaben. Als er zu mir kam, wollte er kündigen und erst mal zurück in seinen alten Studentenjob als Aushilfsfahrer – da die Stimmung dort super war und die Arbeit Spass gemacht hat. Nach dem ersten Gespräch hat er diese Option verworfen. Nichts gegen eine gute Stimmung, im Gegenteil. Leider hätte diese Entscheidung ihn leider nicht dort hingebracht, wo sein Potenzial schlummert. Bereits in unserem 2. Treffen konnten wir seinen ‘Drive’ finden. Er hat ein natürliches Talent andere zu überzeugen. Das war ihm nicht bewusst, aber als er es erkannte, war seine Ausrichtung ein leichtes Spiel. Als er wusste was ihn antreibt fing er nach Stellen zu suchen, die zu ihm passen. Sie entsprachen nicht ganz seiner Ausbildung, aber seine Motivation und ein paar kluge Taktiken haben ihn durch alle Vorstellungsgespräche und das Assessment getragen. Weniger als 6 Wochen später hatte er eine Stelle, die perfekt auf ihn zugeschnitten ist, in einem dynamischen Umfeld, dass seine Persönlichkeit als Motivation von aussen braucht. Es würde mich sehr wundern, wenn diese Position nicht ein Ort wird, an der er eine tolle Karriere beginnt. Ich spüre Feuer bei ihm und ganz besonders gefällt mir sein ‘echtes’ Selbstvertrauen, dass er sich durch ein paar richtigen Schritte angeeignet hat.
Ladehemmung
Viele Eltern haben ihre Kinder dabei unterstützt ihre Träume zu verfolgen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Sind sie fertig ausgebildet, suchen sie eine Chance ihr Wissen endlich in Geld umzusetzen, um ein eigenständiges, selbstbestimmtes und unabhängiges Leben führen zu können. Sie freuen sich darauf Neues in ihrem ersten Beruf zu lernen. Es mangelt ihnen nicht an Motivation. Sie haben eine Ladehemmung. Denn sie prallen auf eine Welt, die so anders ist, als alles was sie sich vorgestellt haben. Nach der anfänglichen Euphorie über den ersten Jobs stellt sich bei vielen eine grosse Ernüchterung ein. Nicht wenige versuche ich davor zu bewahren ihre guten Ausbildungen in den Wind zu schreiben und als Foodblogger und in Aushilfsjobs ihr Glück zu suchen. Nichts gegen Foodblogs und Aushilfsjobs. Sie lösen leider das eigentliche Problem in den meisten Fällen nicht.
Die Karrieren der Eltern lassen sich nicht replizieren. Die Berufswelt hat sich zu stark verändert. Hin und wieder erzählen mir meine jungen Klienten von gut gemeinten Tipps ihrer arbeitenden Umgebung. Du musst dich so verhalten, du musst das sagen, du musst dich an die Linie halten usw. Leider helfen sie selten weiter.
Es ist zu schade, wenn junge Menschen ihr über Jahre angesammeltes Bildungskapital nicht nutzen, weil sie die Arbeitswelten nicht verstehen oder ablehnen, in denen sie gebraucht werden. Nach so vielen Nerven, Zeit und Tränen durch den Bildungsweg hilft auf dem letzten Schritt eine Hand, die sie zur Zielgeraden zu führt.