Unsichtbar, ungreifbar und überall spürbar! Wer sich mit der Unternehmenskultur beschäftigt sollte Menschen mögen und langfristig denken.
Netflix
«Wir besaßen etwas, dass unsere Konkurrenz nicht hatte: Eine Kultur, die Menschen über Prozesse stellte, die Innovation Vorrang vor Effizienz gab und weitgehend auf Kontrollmechanismen verzichtete». WOOM! Diese Worte stammen von Reed Hastings, dem Gründer und CEO von Netflix, der einen milliardensschweren Videoverleih-Markt innerhalb weniger Jahre revolutionierte. Blockbuster war 6 Milliarden schwer, 1000 x grösser als Netflix und beherrschte um die Jahrtausendwende mit fast 9000 Filialen die Welt des Home Entertainments. Blockbusters Geschäftsführer John Antioco, ein gewiefter Stratege und seine Führungskräfte gehörten bis dahin zu den besten der Branche. Wie konnte es passieren, dass ein «No Name» innerhalb von nur 10 Jahren einen Branchenwal von der Bildfläche wischte: Konkurs 2010. In diesem spannenden TED-Talk erzählt Reed Hastings von seinem konkurrenzlosen Wettbewerbsvorteil.
«Wir besaßen etwas, dass unsere Konkurrenz nicht hatte: Eine Kultur, die Menschen über Prozesse stellte, die Innovation Vorrang vor Effizienz gab und weitgehend auf Kontrollmechanismen verzichtete»
Mysteriöse Unternehmenskultur
Was kann sie, diese mysteriöse Kultur, von der viele reden und die Erfolg forcieren und auch verhindern kann? Warum ist sie so wichtig für Unternehmen, die an der Spitze ihrer Branche mitspielen wollen? Kann man sie messen und kann man sie wirklich steuern?
Viele Studien zeigen es: Die Unternehmenskultur wirkt sich auf den Erfolg eines Unternehmens aus, da sie die Art und Weise beeinflusst, wie die Mitarbeiter ihre Arbeit angehen und bewältigen. Eine starke, positive Unternehmenskultur kann die Arbeitseinstellung verbessern, die Produktivität steigern und die Loyalität zum Unternehmen und unter den Mitarbeitern steigern. Eine negative Kultur zeigt in vielen Studien den gegenteiligen Effekt. Die Kultur spiegelt das soziale und psychologische Umfeld eines Unternehmens wider. Sie ist die Metaebene einer Firma. Sie ist die Art und Weise, wie gearbeitet wird. Konkret. Wie geht man mit Kunden um, wie werden Mitarbeiter:innen behandelt, wie werden Probleme gelöst, wer entscheidet? Die Kultur zeigt wie gedacht wird, über Arbeit, über Kollegen, Vorgesetzte oder Untergebene. Sie deckt auf, wie Vorgesetzte mit ‚Macht‘ umgehen und welches Menschenbild sie haben. Wie wird mit Fehlern umgegangen? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wer kommt mit welchem Verhalten durch und wer spielt wie seine Macht aus.
«Die Unternehmenskultur zeigt den IST-Zustand eines Unternehmens. Den SOLL-Zustand finden wir auf Webseiten»
Die Schmiere im Getriebe
Wie es in Unternehmen tatsächlich aussieht, lässt sich selten in Bewerbungsgesprächen erkennen. Erst wenn wir mit der Arbeit beginnen, erfahren wir, wie Vorgesetzte schalten und walten, wie sich Kollegen verhalten und wie gefördert und gefordert wird.
Jim Collins machte in seiner grossangelegten Untersuchung der ‚Best of best‘ Unternehmen in Worten und Zahlen greifbar. Er ging mit seinem Forschungsteam über fünf Jahre der Frage nach, wie ein gutes Unternehmen zu einem Spitzenunternehmen werden kann. Untersucht wurden ausschliesslich Unternehmen, die nicht nur den Sprung von einem guten Ergebnis zu einem Spitzenergebnis schafften – sondern denen es gelang, sich mindestens 15 Jahre an der Spitze zu halten. Die Ursachen lagen nicht in den besten Strategien, den innovativsten Ideen oder dem richtigen Zeitpunkt. Auch mit dem Geschick einzelner lässt sich langfristiger Erfolg nicht erklären. Es erfordert das Zusammenspiel und Engagement von vielen, das Veränderung, Innovation und Wachstum in Unternehmen ermöglicht. Eine positive Unternehmenskultur ist die Schmiere im Getriebe, die dafür sorgt, dass die Rädchen im Getriebe reibungslos ineinandergreifen.
Was macht sie aus?
Konflikte, Prozesse, Kündigungen, unpassendes Führungsverhalten sind deutliche Zeichen dafür, dass die Unternehmenskultur krankt. Doch, wo fange ich an? Was kann ich tun und wie kann ich vorbeugen?
In der Regel können drei Ebenen in unterschieden werden, die sich gegenseitig beeinflussen.
- Engagement der Mitarbeiter
- Produktivität
- Führung, deren Hauptaufgabe es ist, für Engagement und Produktivität zu sorgen.
Die Unternehmenskultur ist spürbar. Für Mitarbeitende und auch für Kunden.
Jeder kennt es. Man hängt in Warteschlaufen, diskutiert mit unfreundlichen Menschen am Telefon, braucht Hilfe und wird allein gelassen. Ständig wechselnde Ansprechpartner, die sich am besten noch widersprechen, machen die Sache nicht besser. Es gelingt einfach nicht, die Verantwortung für einen Auftrag, schlimmer noch eine Reklamation, an das Gegenüber zu übertragen und loszulassen. Das latente Gefühl dran bleiben zu müssen verstärkt sich.
Wie angenehm sind dagegen aufgeweckte Service-Mitarbeiter:innen, die proaktiv weiterhelfen, Telefonate durchstellen, unkompliziert Lösungen suchen und uns Verantwortung abnehmen. Weil wir uns darauf verlassen können, dass sie zurückrufen. Ob B2B, B2C oder Business to everyone nicht nur im Erstkontakt zeigt sich der Unterschied. Nur wer es schafft den roten Faden einer positiven Kultur durch das gesamte Unternehmen zu spannen, kann dauerhafte Beziehungen aufbauen und Kunden begeistern.
Ob eine Kultur motivierend, kundenorientiert und wettbewerbsfähig ist, dafür sorgt das offene und hinter den Kulissen gelebte Verhalten. Ist ein Vorgesetzter unmotiviert und regelmässig krank oder häufig unerreichbar, wenn man ihn dringend braucht, bestimmt dies das Verhalten seiner Mitarbeiter, was Auswirkungen auf die Kultur hat. Werden manchen Kollegen nicht nachvollziehbare Privilegien gewährt, hat das Einfluss auf die Leistung des Teams. Entscheidet ein Vorgesetzter über den Kopf seiner Mitarbeiter hinweg über wichtige Arbeitsprozesse, reagieren Mitarbeiter darauf. Der eine macht die Faust in der Tasche, einer denkt an Kündigung, ein anderer schweigt und denkt an das gute Geld.
Im Kern jeder Unternehmenskultur stehen die Menschen – quer durch alle Ebenen. Sie bilden mit ihrem Verhalten gemeinsam die Kultur.
«Je mehr über Unternehmenskultur gesprochen wird, je mehr liegt im Argen»
Perspektivwechsel ist angesagt: Der Blick von unten nach oben
Betrachtet man die Unternehmenskultur aus der Perspektive der Basis, öffnen sich völlig neue Möglichkeiten, unternehmerische Probleme zu lösen. Aus Perspektive der Mitarbeiter sieht das Thema Führung und Hierarchie sehr anders aus als mit dem gewohnten Blick von oben.
Ein wichtiger Schritt ist getan, wenn Unternehmen es schaffen, Mitarbeitern mit und ohne Führungsverantwortung die gleiche Bedeutung beizumessen, sie in strategische Überlegungen einzubeziehen, ihnen zuzuhören und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
Für die obere Führungsebene heisst das meistens, über das mittlere Management hinauszublicken und eine Verbindung zur Basis zu schaffen, dahin wo gearbeitet wird. Dort liegt viel Potenzial. Da jedoch über die Jahre viel Porzellan mit Management-Massnahmen zerschlagen wurde, ist erst einmal etwas Vertrauensarbeit nötig, um das Gold erkennen zu können.
«Warum wird die Unternehmenskultur immer wichtiger? Weil gute Mitarbeiter selbstbewusster werden und mehr erwarten.»
Wer mehr zum Netflix Kulturansatz erfahren möchte, hier wird aus dem Nähkästchen geplaudert
No Rules Rules Netflix and the Culture of Reinvention
https://www.ted.com/talks/reed_hastings_3_secrets_to_netflix_s_success